Innovationskommunikation im Startup: Eure drei wichtigsten Zielgruppen und wie Ihr sie für Euch gewinnt
Innovationen vorantreiben und gleichzeitig die richtigen Zielgruppen gewinnen – das ist die Herausforderung für B2B-Innovator*innen. Florian Hohenauer, erfahrener Innovationskommunikator mit über 20 Jahren Erfahrung, verrät, wer die Akteure sind und wie eine strategische Ansprache gelingt.
Innovationsbegleitende Kommunikation oder „Innovationskommunikation“ hat die Aufgabe, Innovation zum Erfolg zu verhelfen. Sie ist agil und schnell – und perfekt auf die Anforderungen von Startups oder Innovationseinheiten in Unternehmen ausgerichtet. Ihre Schnelligkeit beruht auch darauf, dass Innovationskommunikator*innen wissen, welche Einstellungen Menschen gegenüber Innovation mitbringen. In diesem Beitrag sehen wir uns die drei Gruppen an, die B2B-Innovator*innen für sich gewinnen müssen. Mit den ersten beiden werdet ihr Euch leicht tun – an der dritten scheitern die meisten. Das muss nicht sein.
Technologieadoption: Eure Zielgruppen im Zeitverlauf. © Wikimedia Commons, alle Nutzungsarten
DAS PLACET DER NERDS
Wie eine Kommunikation auf Augenhöhe Euch über die erste Schwelle trägt
Wenn Ihr zum ersten Mal Unternehmenskommunikation macht, merkt Ihr das vielleicht gar nicht. Es fühlt sich so natürlich und ungezwungen an, denn Ihr kommuniziert ja mit Freunden, Kollegen, Peers, ein Fachpublikum aus Eurer Bubble. Diese allererste Zielgruppe nennen die Strategen Everett M Rogers und Geoffrey A. Moore in ihren Werken* zum Technologieadoptionsmodell „Innovator“. Innovator sind Eure Community. Sie sind die ersten, die an Eure Vision und Euren Weg, diese in eine Innovation umzusetzen, glauben müssen. Ich muss Euch bestimmt nicht erklären, wie Ihr Innovator für Euch gewinnt, denn ich bin Marketer und Marketing-Sprech hat in der Kommunikation mit Innovators nichts verloren.
Innovator wollen hinter die Kulissen blicken und auf Augenhöhe mit Euch sprechen. Schafft Ihr es, Innovator für Euch zu begeistern, müsst Ihr dafür sorgen, dass sich das bis zur nächsten Adoptionsgruppe, den „Early Adoptor“, herumspricht. Sammelt positive Aussagen gut vernetzter und bekannter Innovator und stellt Öffentlichkeit dafür her, auf Euren Websites und im Social Web. Nehmt diese Innovator mit auf Konferenzbühnen und fragt, ob Ihr ihre Empfehlungen in Beiträgen für Magazine einbauen könnt. Early Adopter, die erste Gruppe, die Eure Innovation kaufen wird, beobachten, was einflussreiche Innovator öffentlich diskutieren und sind immer darauf bedacht, keine neue Technologie zu verpassen.
KRITISCHE MASSE IM KLEINEN MARKT
Wie Ihr mit Hilfe von Visionären zu Eurem Endprodukt gelangt und Euch eine Basis für den Sprung in den Massenmarkt schafft.
„Early Adopter“ sind die Visionäre im Unternehmen. Sie verstehen und lieben Technologie und haben sehr wahrscheinlich auch einen technischen Hintergrund. Die Kommunikation mit ihnen wird Euch deshalb ähnlich leicht fallen, wie mit der Gruppe der Innovator. Das Problem bei der Sache: Ihr findet Early Adopter nicht. Sie sitzen an wichtigen Stellen in Unternehmen und verfügen über gute Budgets, aber Ihr könnt sie nicht an ihren Titeln erkennen. Das liegt daran, dass „Early Adopter“ eine Einstellung ist und keine Position. Early Adopter sind getrieben von der Motivation, ihrem Unternehmen einen Vorsprung vor der Konkurrenz zu verschaffen. Dafür nehmen sie hohe Kosten und viele Mühen in Form von Beta-Produkten und Monate von Implementationszeit in Kauf.
Ihr könnt Euch vorstellen, dass es von dieser Sorte Entscheider nicht viele gibt – was sie eben so schwer zu finden macht. Geoffrey A. Moore hat aber Trost für Euch: Er meint, Early Adopter werden auf Euch zukommen – wenn Ihr auffindbar genug seid und das Placet der Innovator-Community mitbringt.
Um Early Adoptor für Euch zu gewinnen, müsst ihr ebenfalls Technik und Features kommunizieren. Early Adoptor wollen genau verstehen, woher der Vorsprung kommt, den Ihr versprecht. Diese Gruppe wird Anpassungen und Änderungen an Euren Produkten verlangen. Um erste Referenzprojekte abschließen zu können, müsst Ihr diese Anpassungen auch vornehmen – aber habt dabei immer im Hinterkopf, wie Ihr diese zu festen Features im Endprodukt für die Massenmärkte machen könnt. Anders gesagt: Die Projekte mit den Early Adoptern müssen Euch dabei helfen, ein ausgereiftes Standardprodukt zu kreieren.
GEWINNEN IM TORNADO-MARKT
Wie Ihr Eure Kommunikation neu erfinden müsst, um als Gewinner aus dem Nachfragesturm hervorzugehen.
Mit Early Adoptern lässt sich Geld verdienen, aber nicht viel. Finanziell spannend wird es erst mit der Gruppe der „Early Majority“ – und an der lässt sich vorzüglich scheitern. Moore hat zwischen Early Adoptern und Early Majority einen großen Graben im Technologieadoptionszyklus gezeichnet, und das nicht ohne Grund: Early Majority-Vertreter ticken komplett anders als Early Adopter.
Early Majorities hassen Revolution und sähen es lieber, wenn sich ihre Technologielandschaft langsam, stetig und planbar verbessert. Sie beobachten die „Experimente“ der Early Adopter und hoffen, dass sie scheitern. Sie hoffen, dass sie die Technologie, sie sie aus ihrer Sicht vor nicht allzu langer Zeit eingekauft und alle Mitarbeiter teuer darauf geschult haben, noch lange weiternutzen können. Dass sie mit Eurer Innovation einen Vorsprung erlangen könnten, juckt sie nicht.
Was sie aber auf keinen Fall wollen, ist es, zurückzufallen. Während Early Adopter mutig Risiken eingehen, lassen Early Majorities Vorsicht walten. Sie beobachten den Markt: Erst, wenn eine kritische Masse gekauft hat und sie einen Marktführer identifizieren können, wagen sie den Wechsel. Wichtig: Ob sie die überlegene Lösung kaufen, ist ihnen dabei nicht so wichtig. Die Lösung muss schlüsselfertig sein, der Nutzen klar erkennbar. Weil Startups bis zum jetzigen Zeitpunkt mit ihrer Technikkommunikation gut gefahren sind, versuchen die meisten, auch Early Majorities damit zu überzeugen. Das klappt nicht. Jetzt müsst Ihr Sicherheit kommunizieren, nicht Features.
Mehr als alles andere gibt es Sicherheit, wenn vom Marktführer gekauft werden kann. Moore empfiehlt deshalb: Werdet möglichst schnell Marktführer – in einem kleinen, klar abgegrenzten Segment. Fokus, darauf kommt es jetzt an. Moore sagt, dass Ihr scheitern werdet, wenn Ihr zwei oder mehr Segmente gleichzeitig versuchen wollt. Das Segment wird dann v.a. von Euch kaufen, und wenn Early Majorities aus angrenzenden Segmenten dies sehen, werden auch sie aufspringen. Weil Early Majorities nicht zurückfallen wollen, kaufen alle, wenn alle anderen kaufen. Will heißen: Es entsteht ein „Tornado-Markt“ fast gleichzeitig kaufender Early Majorities. Das bedeutet für Euch: Keine Veränderungen am Produkt, auch nicht für BMW. VW ist schon in der anderen Leitung und nimmt das Produkt auch ohne Änderungen. Jetzt heißt es verkaufen, verkaufen, verkaufen, und als Gesamtmarktführer mit 50-60 Prozent Marktanteil aus dem Tornado hervorgehen.
Neben der zielgruppenspezifischen Kommunikation könnt Ihr noch etwas tun, um im Wettbewerb der Produkte als Sieger hervorzugehen: Bringt Euch so bald wie möglich auch in den Wettbewerb der Ideen ein. Oft werden Technologien schon diskutiert, lange bevor es Produkte gibt. Wie werden große Quantencomputer die Welt verändern? Was, wenn Fusion so richtig funktioniert? Wie verändern AI-befähigte Roboter unsere Gesellschaften? Wer hier Visionen hat und es schafft, den interessierten Öffentlichkeiten mit den eigenen Ideen und Erklärungen etwas von ihrer Unsicherheit in Bezug auf die Innovationen zu nehmen, hat gute Chancen, als Vordenker wahrgenommen zu werden. Ein Vordenker verdient sich Vertrauen. Vertrauen gibt später den Early Majorities Sicherheit, wenn sie sich für eine Lösung entscheiden müssen.
Fünf Kräfte für Zukunftsnarrative © Bernhard Fischer-Appelt, Nutzung gestattet vom Redline Verlag
Wie man Visionen vermittelt, die verfangen, erklärt der Kommunikationsprofi Bernhard Fischer-Appelt in seinem Buch „Zukunftslärm“. Er sagt, dass ein starkes Zukunftsnarrativ aus einer Utopie, einer Dystopie, einer Ich- und einer Wir-Komponente sowie den Enabler-Technologien besteht. Die Utopie zieht Eure Stakeholder in die richtige Version der Zukunft, die Dystopie, die ohne Euch eintreten kann, schiebt von hinten, die Ich-Sicht zeigt, was die Zukunft mit Eurer Lösung für jeden Einzelnen bereithält, und die Wir-Sicht beschreibt den Beitrag aller Gruppen, die an der Utopie und gegen die Dystopie arbeiten müssen.
Das Neue hat viele Feinde und auch Eure Innovation wird nicht nur mit offenen Armen empfangen werden. Ihr habt mit genügend Herausforderungen zu kämpfen. Eine strategisch gut geplante und umgesetzte Innovationskommunikation kann Euch helfen, so manche Hürde aus dem Weg zu räumen und schneller als Eure schlechter vorbereitete Konkurrenz an Euer Ziel zu gelangen.
* Everett M Rogers in „Diffusion of Innovation“ und Geoffrey A. Moore in “Crossing the Chasm”.
www.innocomms.eu
florian@innocomms.eu
LinkedIn: Florian Hohenauer
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Über den Autor
Florian Hohenauer ist Innovationskommunikator. Seit fast 22 Jahren berät er Tech-Unternehmen zu ihren PR- und Marketingprogrammen. Sein Buch „Toolbox Innovationskommunikation“ erschien kürzlich im Springer-Gabler-Verlag.